Unternehmer mit narzistischem Selbstbild - wehe wenn sie losgelassen!
Eine tiefergehende psychoanalytische Bewertung des beschriebenen Unternehmertyps kann durch die Betrachtung verschiedener psychodynamischer Konzepte erfolgen, die in der Psychoanalyse und Wirtschaftspsychologie Anwendung finden. Dabei geht es darum, die inneren Motive, Abwehrmechanismen und unbewussten Verhaltensmuster zu analysieren, die diesem Verhalten zugrunde liegen. Hier sind die wichtigsten psychoanalytischen Aspekte:
1. Das narzisstische Selbstbild und die Kompensation
Ein Unternehmer, der Kunden und Mitarbeiter ausschließlich als Mittel zum Zweck betrachtet, neigt häufig zu narzisstischen Zügen. Nach Sigmund Freud und später Heinz Kohut basiert Narzissmus auf einem fragilen Selbstwertgefühl, das durch äußere Bestätigung gestützt werden muss. Der Unternehmer identifiziert sich stark mit dem Unternehmenserfolg, weil er darin seinen persönlichen Wert bestätigt sieht. Kunden und Mitarbeiter werden in diesem Kontext nicht als Individuen wahrgenommen, sondern als Werkzeuge zur Selbstbestätigung.
Unbewusste Motivation:
• Das Streben nach Kontrolle und Erfolg dient dazu, eine tiefe innere Unsicherheit zu überdecken.
•Misserfolge oder Investitionen in andere Menschen könnten als Bedrohung des eigenen Selbstwertgefühls empfunden werden.
Abwehrmechanismus:
• Verleugnung und Projektion: Der Unternehmer verleugnet seine eigene Abhängigkeit von anderen und projiziert diese Abhängigkeit auf Mitarbeiter oder Kunden, die er als “Kostenfaktoren” oder “Störfaktoren” wahrnimmt.
• Grandiosität: Die Haltung, “alles alleine zu schaffen”, ist Ausdruck einer übertriebenen Selbstidealisierung.
2. Fehlende Objektbeziehung: Andere als “Objekte”
Nach der Objektbeziehungstheorie (Melanie Klein und Donald Winnicott) ist die Fähigkeit, andere Menschen als autonome, gleichwertige Subjekte zu sehen, zentral für gesunde Beziehungen. Der beschriebene Unternehmer sieht Kunden und Mitarbeiter jedoch nur als Mittel zum Zweck – als “Objekte”, die einen spezifischen Nutzen erfüllen sollen. Welche "Customerexperience" haben Kunden in diesem Unternehmen?
Hintergrund:
• In der Kindheit könnte es an emotionaler Zuwendung oder stabilen Bindungen gefehlt haben. Der Unternehmer hat vielleicht früh gelernt, dass Beziehungen an Bedingungen geknüpft sind und der eigene Wert an Leistung oder Erfolg gekoppelt ist.
•Dies führt zu einer Unfähigkeit, echte Bindungen aufzubauen, was sich später in distanziertem oder instrumentellem Umgang mit Mitarbeitern und Kunden äußert.
Konsequenz:
•Der Unternehmer verhindert bewusst oder unbewusst, dass andere Menschen zu nah an ihn herankommen. Emotionale Nähe wird als Schwäche oder Kontrollverlust empfunden.
3. Kontrollzwang und Angst vor Verlust
Das obsessive Bedürfnis, möglichst wenig zu investieren – sei es in Mitarbeiter, Kunden oder die Infrastruktur – deutet auf eine tief verwurzelte Verlustangst hin. Psychoanalytiker wie Karen Horney haben gezeigt, dass Kontrollverhalten oft ein Ausdruck von Angst ist: Die Kontrolle über Finanzen und Ressourcen gibt dem Unternehmer ein Gefühl von Sicherheit.
Ursachen:
• Mögliche Traumata oder Erfahrungen von Mangel in der Vergangenheit, z.B. finanzielle Instabilität oder der Verlust von wichtigen Bezugspersonen.
• Eine übersteigerte Leistungsorientierung, die zu Perfektionismus und Kontrolle führt.
Psychoanalytische Erklärung:
• Kontrolle wird zu einer Kompensation für das unbewusste Gefühl von Ohnmacht oder Versagen.
4. Die Symbolik von Geld: Ein unbewusstes Machtmittel
Karl Lagerfelds berühmtes Zitat :„„Man muss das Geld zum Fenster rauswerfen, damit es zur Tür wieder reinkommt.“ offenbart eine wichtige Erkenntnis: Geld ist ein Werkzeug, das zirkulieren muss, um Wachstum zu schaffen. Unternehmer, die Geld nur “festhalten” wollen, sehen darin jedoch ein Symbol für Kontrolle, Macht und Sicherheit.
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5. Psychoanalytische Interpretation:
•Geld kann unbewusst eine Ersatzbefriedigung darstellen: Es ersetzt emotionale Nähe oder Bestätigung durch materielle Sicherheit.
• Das Festhalten am Geld könnte eine Art Fixierung sein, die mit der analen Entwicklungsphase nach Freud zusammenhängt, in der Kontrolle über “Besitz” (symbolisch: das Festhalten von Ressourcen) wichtig war.
Folge:
•Der Unternehmer lebt in einer Illusion von Sicherheit, während er langfristig seine Geschäftsgrundlage untergräbt.
6. Fehlende Selbstreflexion: Die Notwendigkeit psychoanalytischer Behandlung
Die fehlende Bereitschaft, in Menschen und Beziehungen zu investieren, weist auf ein tieferliegendes Problem hin: mangelnde Selbstreflexion. Psychoanalytische Therapie könnte helfen, unbewusste Konflikte und Abwehrmechanismen zu erkennen und zu bearbeiten.
Mögliche Ansätze:
• Übertragung und Gegenübertragung: In der Therapie könnten die unbewussten Muster sichtbar werden, die den Umgang mit Kunden und Mitarbeitern prägen.
• Arbeit am Selbstwertgefühl: Ziel wäre es, dem Unternehmer zu zeigen, dass sein Wert nicht nur durch Erfolg oder Kontrolle definiert wird.
• Integration von Empathie: Der Unternehmer lernt, Beziehungen auf Augenhöhe zu führen und den Menschen hinter der Rolle (Kunde, Mitarbeiter) zu sehen.
Der Weg zu einem gesunden Unternehmerbewusstsein
Ein Unternehmer, der Kunden und Mitarbeiter nur als Mittel zum Zweck sieht, leidet häufig unter unbewussten Ängsten und einem fragilen Selbstwertgefühl. Die psychoanalytische Perspektive zeigt, dass hinter diesem Verhalten oft Kontrollzwang, Verlustängste und fehlende Bindungsfähigkeit stehen. Der Schlüssel zur Veränderung liegt in der Bereitschaft, sich selbst zu hinterfragen und in die Beziehungen zu investieren, die ein Unternehmen wirklich stark machen. Denn wie Karl Lagerfeld so treffend bemerkte: „Man muss Geld investieren, damit es zurückkommt.“ Das gilt nicht nur für Finanzen, sondern vor allem für Menschen und Beziehungen.