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Tumisu
Die Mitarbeiter sind schuld, ein Unternehmensberater muss her
„Könnt ihr nicht einfach mehr leisten?“, fragte der Auspeitscher auf der Sträflingsgalere
Einige Chefs sehen ihre Mitarbeiter nicht als Menschen, sondern eher als Multitasking-Maschinen. Dass Sandra im Marketing bereits fünf Kampagnen gleichzeitig jongliert, interessiert nicht, denn schließlich gibt es da noch dieses „kleine“ Social-Media-Projekt, das „ganz fix“ erledigt werden kann.
Manche Chefs glauben fest daran, dass ihre Mitarbeiter mit übernatürlichen Kräften ausgestattet sind. Wie sonst erklärt sich ihr Wunsch, dass Fachabteilungen, die aus einer Person bestehen, dieselben Leistungen erbringen sollen wie ganze Teams in anderen Unternehmen? Schließlich kann Peter aus der IT nicht nur die komplette Infrastruktur am Laufen halten, sondern auch nebenbei das CRM-System überarbeiten, die Webseite neu programmieren und bei jedem Druckerproblem innerhalb von 30 Sekunden auf der Matte stehen. „Warum dauert das so lange, Peter? Es ist doch nur IT!“
Überarbeitung, Burnout und "leck mich doch am Arsch" Einstellung als Resultat
Es klingt dann ungefähr so: „Sandra, du machst doch eh schon viel Social Media, kannst du nicht einfach noch diese 37 Posts für die nächste Woche planen?“ Und wehe, Sandra fragt nach Prioritäten! Da wird sie sofort ermahnt: „Alles hat Priorität!“ – Was wiederum bedeutet, dass nichts wirklich Priorität hat und Sandra abends bei einem Glas Wein versucht, sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal geschlafen hat. Da nutzt als Gratifikation auch der zugestandene Firmenwagen wenig, dieses „Geschenk“ setzt die/den Mitarbeiter*in noch mehr unter Leistungsdruck. Ineffizienz durch ein ständiges Arbeiten am Limit, das Chaos beherrschen zu wollen und nachts aufzuwachen mit der Erkenntnis, dass das auch nur teilweise klappt. Die Frage ist, dann schafft die/der Mitarbeiter*in schlussendlich die Reißleine zu ziehen.
Bis zu einem Gewissenzeitpunkt unterliegt man der Einschätzung, dass man in der Mühle weiter treten muss, weil man sein Arbeitsgebiet kennt und sich für unersetzlich hält. Mehrfach hat die Führung des Unternehmens allerdings schon bewiesen, dass jeder Mitarbeiter zu ersetzen ist, die daraus resultierenden Ergebnisse werden unter den Tisch gekehrt, bzw. als normaler Vorgang betrachtet. In dieser wunderbaren Welt der Chef-Illusionen existiert ein weiteres Phänomen: Burnout ist eine Erfindung der faulen Mitarbeiter. Wie kann es sein, dass jemand „gestresst“ ist, nur weil er 120% gibt, 60 Stunden die Woche arbeitet und permanent erreichbar ist? Schließlich wird der Chef auch nicht müde.
Ineffiziente Mitarbeiter, kein Problem, ein Unternehmensberater weiß Rat
Aber keine Sorge, der Chef hat schon die Rettung parat: Ein Unternehmensberater wird engagiert. Und nicht irgendeiner! Nein, es muss jemand sein, der seine Präsentationen mit Wörtern wie ‚Disruption‘ und ‚Agilität‘ füllt und PowerPoint-Folien zeigt, die so bunt und verwirrend sind, dass sie fast hypnotisierend wirken. Aber keine Sorge, der Chef hat schon die Rettung parat: Ein Unternehmensberater wird engagiert. Und nicht irgendeiner! Nein, es muss jemand sein, der seine Präsentationen mit Wörtern wie ‚Disruption‘ und ‚Agilität‘ füllt und PowerPoint-Folien zeigt, die so bunt und verwirrend sind, dass sie fast hypnotisierend wirken. Nun Steve Jobs hatte sich auch einmal Gedanken dazu gemacht, ob er sich externe Berater ins Haus holt. Soviel sei verraten, hat er nicht getan, diese Praxis dann mit dem Begriff "Banana Consulting" gebrandmarkt :)
Wenn der Unternehmensberater den Speichel leckt unatastbar, er weiß,
wo es lang geht, in einem Unternehmen, in dem er selbst nicht tätig ist
In solchen Momenten erscheint der Unternehmensberater auf der Bildfläche. Mit perfekt sitzendem Anzug, glänzenden Schuhen und einer Aura der Allwissenheit, die man beinahe riechen kann. Und ganz klar versichert er dem Unternehmer: Sie sehen das richtig. Die Mitarbeiter sind die Wurzel allen Übels! Der Berater lächelt das Team an, als wüsste er schon jetzt, dass er das Unternehmen in nur zwei Wochen auf einen neuen Erfolgskurs bringen wird – natürlich nur, wenn die Mitarbeiter aufhören, so ineffizient zu sein. Aber was der Chef am meisten liebt: Der Berater schmiert ihm Honig um den Mund, pardon, besser gesagt: leckt ihm den Speichel von den Stiefeln.
Die Mitarbeiter sind die Wurzel allen Übels im Unternehmen
Der Unternehmensberater hat ein einfaches Rezept: „Vertrauen Sie mir, wir werden die Mitarbeiter verbessern, die Abteilungsleiter härter rangenommen, und plötzlich läuft’s wie geschmiert.“ Man könnte meinen, der Berater glaubt, dass die Mitarbeiter einfach mal ordentlich „durchgeschüttelt“ werden müssen – und voilà, schon ist der Erfolg da.
Die Jagd des Unternehmensberaters auf die ineffizienten Abteilungsleiter
Besonders die Abteilungsleiter haben in dieser Geschichte nichts zu lachen. Sie sind das erste Ziel des Beraters. Der Chef schüttelt nur den Kopf und denkt: „Wie konnte ich diese unfähigen Leute so lange auf diesen Positionen lassen?“ Der Unternehmensberater, der das natürlich sofort merkt, macht sich ans Werk. „Coaching! Führungskräfteentwicklung! Empowerment!“, ruft er. Und so werden die Abteilungsleiter in endlose Schulungen geschickt, in denen sie lernen, dass „nach oben buckeln und nach unten treten“ vielleicht doch nicht die beste Taktik ist.
Am Ende der Schulungen sind die Abteilungsleiter meist so verwirrt, dass sie nicht mehr wissen, ob sie nun motivieren, delegieren oder einfach nur mal eine Tasse Kaffee trinken sollen. Aber der Berater nickt weise: „Das wird schon, jetzt sind sie bereit, effizient zu arbeiten.“ Und dann sind da noch die Inhaber, die sogar beratungsresistent sind, ihre eigene Position betreffend. Die Größe muss man haben...Siehe dazu die Arbeit in Manager Magazine: "Für eine erfolgreiche Beratung sind immer zwei verantwortlich, der Berater und der Kunde." Unternehmen sind oft selbst schuld, wenn Beratung scheitert
Und die Mitarbeiter? Die sind immer noch da! Business as usual! Gottseidank!
Währenddessen sehen die Mitarbeiter, wie das Chaos weiterläuft. Sie sind zwar inzwischen Experten im Kaffee-Kochen und sinnlosen Meetings überstehen, aber arbeiten sie effizienter? Nicht wirklich. Der Berater hat ihnen beigebracht, wie sie in fünf einfachen Schritten ihre E-Mail-Ordner farblich sortieren und ihre Arbeitszeit noch besser „managen“ können – nur dummerweise bleibt die Arbeit selbst dabei auf der Strecke. „Aber wenigstens ist der Chef zufrieden,“ denken sie sich. „Jetzt können wir endlich in Ruhe ineffizient weiterarbeiten, ohne dass er merkt, dass wir gar nicht die Ursache des Problems sind.“
In so manchem Büro fühlt sich der Chef wie Captain Kirk auf der Brücke der Enterprise. Er steht souverän da, den Blick auf die Sterne gerichtet, bereit, das Unternehmen zu neuen Ufern zu führen. Doch dann passiert es: Überall hakt es, die Maschinen stottern, die Umsätze schwächeln, und Deadlines werden so verfehlt, als wären sie mit Unsichtbarkeitsschilden geschützt. Wer ist schuld? Die Mitarbeiter natürlich! Es ist offensichtlich, dass das Team und die Abteilungsleiter einfach nicht effizient genug arbeiten, oder?
Das Meeting Fetisch: „Wenn es nicht klappt, macht ihr es einfach falsch!“
Das Lieblingsmantra vieler Chefs lautet: „Wenn etwas nicht klappt, dann weil ihr es falsch macht!“ Schließlich hat er doch alles in einem 27-seitigen Memo klar beschrieben. Dass die Mitarbeiter diese Anleitung allerdings nicht verstehen, könnte daran liegen, dass sie vor lauter Meetings, E-Mails und „Dringenden Aufgaben“ keine Zeit hatten, die Memo überhaupt zu öffnen. Oder daran, dass das Memo vor lauter Fachbegriffen und Anglizismen eher wie ein Auszug aus dem Wörterbuch für Unternehmensberater klingt. Aber für den Chef ist die Sache klar: “Die Memo ist perfekt, also seid ihr das Problem!”
Meetings als Freizeitprogramm. „Wo ist..? .. wo sonst... schon wieder... immer noch“
Manche Chefs glauben, dass die Lösung für jede Art von Problem lautet: Noch ein Meeting! Schließlich werden in diesen Treffen „die wirklich wichtigen Themen besprochen“. Dass die Mitarbeiter bei diesen Meetings innerlich nur daran denken, wie sie den Zeitverlust ausgleichen können, fällt dabei unter den Tisch. Wozu eine Stunde am tatsächlichen Problem arbeiten, wenn man stattdessen eine Stunde lang über das Problem sprechen kann? Und am Ende des Meetings gibt es die wunderbare Erkenntnis: „Wir sind auf einem guten Weg, aber da geht noch mehr.“

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Gerd Altmann
