Manchmal möchte man einfach zurück. Nicht nur in einen Ort, sondern in ein Gefühl, in eine Luft, in ein Licht. Für mich ist Südfrankreich mehr als eine Landschaft – es ist ein Teil meiner eigenen Haut geworden. Aix-en-Provence, Gréoux-les-Bains, Villeneuve-Loubet, Grasse, Mougins, Nizza, Èze-sur-Mer, Menton, Monaco… Ich brauche keine Karte, ich brauche nur meine Nase.

Zwischen Fragonard und Molinard – Duftlegenden im Alltag

Die Rue Saint-François de Paule in Nizza kenne ich fast blind, genau dort, wo Molinard seine Boutique hat – ein kleiner violett schimmernder Tempel für Parfumnostalgiker. Und natürlich auch Grasse, wo alles nach Orangenblüten, Jasmin und Vergangenheit duftet. Fährt man von Nizza Richtung Èze oder Menton, kommt man fast zwangsläufig an Fragonard vorbei – ein Parfüm-Mekka, das sich in das Gedächtnis brennt wie die Sonne auf der Haut nach einem Tag am Strand von Villefranche.

Die Erwartung: M.M. als olfaktorische Reise in die Provence

Und genau aus diesen Erinnerungen heraus dachte ich: Molinard M.M. – das könnte mein Parfum werden. Eine duftende Hommage an diese Orte, an das Meer, an das Kloster in Cimiez, an das altehrwürdige Hôtel Regina, das in Nizzas Höhen thront wie eine Dame mit Hut, die immer noch weiß, wie man einen Eindruck hinterlässt.

Schöner Flakon – und sonst?

Die Flasche: ein Hingucker. Lila, fast violett, als wollte sie „Mystik!“ rufen, während sie sich charmant in jedes Regal schmiegt. Elegant, modern, ein bisschen theatralisch – ich war bereit, mich zu verlieben.

Die Duftnoten – und die große Leere danach! Blass - eine Übertreibung!

Zunächst: ein Hauch von Zitrus, frisch, fast spritzig, vielleicht Mandarine oder Bergamotte. Dann folgt eine blumige Note – Veilchen, Iris? Leicht pudrig, aber nicht altmodisch. Im Herzen vielleicht ein Hauch von Heliotrop, etwas Moschus, sanft und hell. Und dann… nichts mehr.

Eau de Parfum? Eher eine olfaktorische Illusion

So sehr ich es wollte – M.M. verschwand schneller als eine Urlaubsliebe, die plötzlich kein WLAN mehr hat. Keine bleibende Präsenz, keine Tiefe, keine Wellen von Erinnerungen, die mich überrollten. Ich wollte das Meer riechen, den Pinienhain, die salzige Brise, das Steinpflaster von Èze, die Basilika Notre-Dame-de-Cimiez. Ich bekam: Duftwatte.

Finale – Samt, Rauch und ein dramatischer Abgang

Der Abgang ist weich, aber nicht ohne Aussage. Amber, Moschus und ein Hauch Vanille machen das Ganze warm und vertraut. Vielleicht ist da auch etwas Rauch, wie die letzten Glutreste unter dem Grill beim Sonntagsessen. Rossa Bohème verabschiedet sich langsam – so wie ein italienischer Gast, der noch dreimal zum Auto zurückkommt, um wirklich zu gehen. Es bleibt eine elegante Wärme auf der Haut und das Gefühl, man hätte gerade an etwas Großem teilgenommen. Oder zumindest an einer hitzigen Diskussion über Tomatensauce.

Sillage, Haltbarkeit und Stilberatung

Rossa Bohème tritt laut auf, zieht alle Blicke auf sich, aber bleibt nie unangenehm. Die Sillage ist präsent – man wird gefragt, was man trägt – aber niemand fällt in Ohnmacht. Die Haltbarkeit ist opernreif: acht Stunden Minimum, mit Nachbeben auf Kleidung bis zum nächsten Morgen. Tragen? Nur wenn du bereit bist, einen Auftritt hinzulegen. Dieser Duft passt nicht zu Turnschuhen. Es sei denn, sie sind aus Samt.

Dieser Duft ist keine Alltagsrose, sondern eine Opernsängerin in voller Montur. ONYRICO hat mit Rossa Bohème ein olfaktorisches Drama erschaffen – leidenschaftlich, unvernünftig, und ganz eindeutig italienisch. Er ist nichts für Minimalisten, aber alles für Romantiker mit Humor. Und für alle, die wissen, dass ein richtig guter Duft mindestens so viele Emotionen auslösen sollte wie ein Familienbesuch bei den Schwiegereltern in Rom.

Bewertung: 9,5/10 – Bravo, Maestro!