Seit einigen Jahren pflege ich mit wachsender Hingabe einen gewissen britischen Lebensstil. Das bedeutet nicht, dass ich plötzlich Tee mit Milch trinke oder sonntags Roastbeef im Ofen brutzle (Gott bewahre) – aber meine Garderobe hat sich eindeutig gen Britannien orientiert. Anzüge von Hackett, Hemden von Richard James, ein Mantel von Ted Baker, der zwar wettertechnisch völlig unbrauchbar ist, aber dabei fantastisch aussieht. Und seit Neuestem – wie es sich gehört – auch wieder britischer Duft auf der Haut.

Ein Duft kommt selten allein – und dieser war überraschend höflich

Genauer gesagt: Floris London. Die königlich geadelte Parfumdynastie hat mir kürzlich mit Vert Fougère ein olfaktorisches Lächeln ins Gesicht gezaubert, das so breit war, dass sogar mein Spiegelbild verwundert zurückgrinste. Doch darum soll es heute gar nicht gehen. Denn mit dem stolzen Flakon kam ein kleines Extra – eine Probe des Eau de Parfum „Purple Memoire“.

Und was soll ich sagen? Ich wurde überrumpelt. Von einem Duft. Und – schlimmer noch – von Lavendel.

Lavendel, mein olfaktorischer Erzfeind (bisher zumindest)

Nun muss man wissen: Lavendel und ich, das war bislang eher eine Fernbeziehung auf dem Niveau „Bitte nicht anrufen, ich melde mich.“ Mein letzter Versuch mit „Caron pour un Homme“ endete in einem Geruchserlebnis, das stark an eine Mischung aus Großmutter, Mottenkugeln und einem leicht feuchten Apothekerschrank erinnerte. Also ließ ich Lavendel fortan links liegen – zwischen Rosmarin und Kamillentee.

Doch dann kam Purple Memoire. Und ich ahnte: Vielleicht liegt das Problem gar nicht beim Lavendel. Vielleicht lag es an der französischen Auslegung davon. Denn was die Engländer mit Lavendel machen, ist… überraschend. Und zwar im positiven Sinne – was bei britischen Überraschungen ja durchaus erwähnenswert ist.

Ein Landhaus im Flakon – frisch, klar, angenehm britisch

Schon der erste Hauch dieses Dufts wehte mir entgegen wie ein frischer Luftzug durch ein geöffnetes Fenster eines englischen Landhauses, direkt nach dem Gewitter. Der Lavendel ist da, keine Frage – aber er schreit nicht, er flüstert. Keine muffige Opulenz, keine seifige Dominanz. Sondern ein klarer, sauberer, fast grüner Ton, der wie frisch geerntet wirkt. Und das Ganze wird getragen von einer leichten Holznote, die dem Duft nicht nur Tiefe verleiht, sondern auch Seriosität.

Hitze? Büro? Sommerterrasse? Dieser Duft bleibt gelassen

Das ist kein Duft für feuchtfröhliche Pubabende oder das nächste Gin-Tasting mit Nigel und Jeremy – das ist ein Sommerduft mit Haltung. Man trägt ihn, wenn die Temperatur 35 Grad überschreitet, die Luft steht, der Schweiß läuft – und man sich trotzdem weigert, in die olfaktorische Kapitulation zu gehen. Kein Duft, der die Hitze bekämpft, sondern einer, der Würde in der Hitze wahrt.

Ich habe ihn an einem dieser berühmten „Vor-Gewitter-Abende“ getragen – du kennst sie sicher: die Luft drückt, der Himmel grollt in der Ferne, aber Regen lässt sich bitten wie ein britischer Premierminister nach dem Rücktritt. Und Purple Memoire? Der bleibt gelassen. Kühl, frisch, unaufdringlich – britisch eben.

Im Büro wirkt er übrigens genauso stilsicher wie auf der sommerlichen Terrasse. Kein Kollege wird sich wegen penetranter Duftwolken beschweren (außer vielleicht der aus dem Vertrieb, der noch Axe benutzt), und trotzdem wird man wahrgenommen. Er riecht nach Intelligenz, gepflegtem Understatement und einem Hauch aristokratischer Exzentrik.

Wenn Lavendel ein Leinenanzug wäre…

Wenn ich den Duft mit einem Kleidungsstück vergleichen müsste – was bei Floris durchaus angebracht ist – dann wäre es ein Leinenanzug in hellem Grau mit einem perfekt gebügelten Einstecktuch. Elegant, luftig, kultiviert – aber eben nicht steif oder prätentiös.

Ein Duft mit britischer Ironie und einem Hauch Lavendel-Rehabilitation

Ich habe mich verliebt. In einen Lavendelduft. In einen Duft mit einem Namen, den ich zuerst für einen Tippfehler hielt – „Purple Memoire“? Really, Floris? – aber der sich als britischer Humor entpuppte, den ich inzwischen zu schätzen weiß. Und so werde ich wohl das tun, was ich mir bei diesen Preisen eigentlich verbiete: Ich werde ihn kaufen.

Denn wenn Floris eines kann, dann ist es, Erinnerungen in Flakons zu füllen. Und Purple Memoire ist eine dieser Erinnerungen, die man immer wieder aufsprühen möchte – wie eine kühle Brise, wenn der Sommer mal wieder übertreibt. Oder wie ein britischer Witz: leicht verschroben, aber genau richtig.