Es gibt Parfums, die einen anschreien. Andere flüstern einem etwas zu. Und dann gibt es da Floris Jermyn Street Eau de Parfum – ein Duft, der wie ein perfekt sitzender, maßgeschneiderter Anzug daherkommt. Elegant, britisch, aber ganz und gar nicht steif. Im Gegenteil: Dieser Duft ist wie der eine Londoner Gentleman, der auf dem Weg ins Büro noch mit einem Schirm in der Hand über eine Pfütze tanzt. Locker im Schritt, kultiviert im Ton – und dabei durchweg gepflegt. Ein Duft wie ein Maßanzug aus der Savile Row

Zwischen Tradition und Understatement: Die Jermyn Street

Bevor ich mich in die Duftnoten vertiefe, ein kurzer Abstecher in die Historie. Die Jermyn Street liegt im Herzen Londons, gleich neben der Piccadilly. Seit dem 17. Jahrhundert steht sie für klassische britische Herrenmode – maßgeschneiderte Hemden, Rasieraccessoires, feine Schuhe. Hier haben Generationen von Gentlemen ihre Garderobe aufpolieren lassen. Floris, das traditionsreiche Dufthaus, wurde 1730 gegründet und residiert zwar eigentlich in der nahegelegenen Jermyn-Street-Verlängerung St. James’s, aber mit diesem Eau de Parfum zollt es der Straße und ihrem gepflegten Understatement ein olfaktorisches Denkmal.

Von wegen steifer Brite! Ganz locker im Schritt

Wenn man Jermyn Street das erste Mal aufsprüht, erwartet man – zumindest bei diesem Namen – ein kühles Rasierwassergefühl. Doch nein, was da in der Kopfnote an die Nase kommt, ist subtiler: Grapefruit, Wacholderbeere und ein Hauch Bergamotte. Frisch, ja – aber ohne schrillen Zitrus-Auftritt. Vielmehr erinnert es mich an einen Morgenspaziergang durch London nach einem Sommerregen: Die Luft ist klar, aber die Stadtmauern dampfen noch.

Das Herz schlägt trocken und pudrig

Kaum hat sich die Kopfnote verzogen, legt sich ein trockener, pudriger Schleier über die Haut. Lavendel und Neroli sorgen für eine gewisse Weichheit, fast seifig, aber nie altbacken. Was mich überrascht hat: Trotz der floralen Komponenten bleibt der Duft elegant herb. Ich trage ihn gerne an stickig-schwülen Tagen im Büro – besonders wenn die Klimaanlage mal wieder im Streik ist. Denn hier spielt Jermyn Street seine Stärke aus: Es riecht immer sauber, nie aufdringlich. Präsenz ohne Penetranz.

Die Basis: Ein ruhiger Abgang mit britischem Humor

Was bleibt, nachdem sich der anfängliche Londoner Nieselregen gelegt hat? Eine wohlig warme, leicht holzige Basisnote aus Amber, Moschus und Zeder. Kein Drama, kein Orient, kein Rauch – sondern ein beruhigendes Gefühl von Frische, das über Stunden bleibt. Ich erwische mich dabei, wie ich im Laufe des Tages meine Nase an meinem Handgelenk parke, einfach um mich kurz aus der Hektik rauszuriechen. So, wie man in einem chaotischen Tag manchmal für eine Sekunde die Augen schließt und sich vorstellt, man liege in frisch bezogener Bettwäsche. Genau dieses Gefühl erzeugt Jermyn Street.

Haltbarkeit und Sillage: Zurückhaltend britisch – aber präsent

Für ein Parfum, das sich so zurückhaltend gibt, hält es überraschend lang. Morgens aufgetragen, rieche ich es auch noch am späten Nachmittag, wenn ich mich im Aufzug wiederfinde und ein Kollege fragt: „Du riechst irgendwie… nach Frische. Aber nicht so, als wärst du gerade geduscht worden. Sondern besser.“ Das beschreibt es gut: Der Duft ist präsent, aber nie laut. Man muss nah dran sein – aber nicht intim. Genau richtig fürs Büro, fürs Geschäftsessen oder die Fahrt in der überfüllten Londoner U-Bahn. Oder Straßburger Tram, ganz wie man’s nimmt.

Unisex – mit einem Augenzwinkern Richtung Herrenabteilung

Offiziell ist Jermyn Street unisex. Und ja, eine selbstbewusste Frau mit einem Faible für klassische Düfte wird daran sicher Gefallen finden. Aber aus meiner Sicht: Das ist ein Herrenduft. Einer, der aber nicht nach Eichenmoos und Vater roch. Sondern nach einem urbanen Mann, der weiß, dass Stil nicht laut sein muss. Der lieber einen Witz macht, als mit Manspreading auffällt. Locker im Schritt, eben.

Sommerregen, drückende Stadtluft, stressiger Arbeitstag – Jermyn Street passt immer dann, wenn ich mich geerdet und zugleich gepflegt fühlen will. Es ist kein Parfum für den Club oder die Gala. Es ist das olfaktorische Pendant zu gutem Benehmen, einem perfekt gebügelten Hemd oder dem ersten Kaffee des Tages: unaufdringlich essenziell.

Der Duft einer besseren Tagesordnung

Floris Jermyn Street ist kein Duft, der Herzen bricht oder für Gesprächsstoff sorgt. Er will gar nicht provozieren. Er ist ein Wohlfühlduft, der einem das Gefühl gibt, trotz Hektik, Regen und Rush Hour im Griff zu bleiben. Und das Beste: Er tut das mit einer Noblesse, die nicht nach Aufmerksamkeit heischt.

Für mich ist das ein Duft, der zeigt, wie modern britische Klassik sein kann. Also nichts mit steifem Brite. Sondern ein gepflegter Auftritt – ganz locker im Schritt.